Liebe Crowdfunder*innen, liebe Buchkäufer*innen, liebe Unterstützer*innen
ES IST GESCHAFFT! WOW. DANKE. DANKE!
Ich kann dank Euch nun ohne Sorgenfalten und Schulden die Druckereirechnung bezahlen. Das erleichtert mich sehr. Und: Das Buch ist durch die beiden Crowdfundings von 2014 (von dem ich die Hälfte an die Crowdfunder zurückbezahlt habe) und 2021 bereits vor Drucklegung nahezu verlagsseitig ausverkauft.
SOGAR MEINE GROSSE LIEBE J. VON EINST HAT MICH UNTERSTÃœTZT
Von unerwarteter Seite kam Geld. Von vielen lieben Freunden und Familie kam eine grosse Welle an Sympathiezurufen, Unterstützung und Geld. Einige Menschen, auch solche, die mich lieben (und nicht den FCW), haben richtig, richtig grosse Summen in den Topf gelegt. Und am Schluss kam, und das freut mich besonders, der FC Winterthur und rundete den Betrag auf die Zielsumme auf.
HAPPY BIRTHDAY! GRATULATION! CHIN-CHIN!
Heute Samstag, 18. April 2021, wird der FCW 125 Jahre alt. Dazu hat der Klub (von gestern Abend 19 Uhr bis heute Morgen früh um drei Uhr) die magischen drei Lettern F.C.W. am Sulzer-Hochhaus neben dem Stadion aufleuchten lassen. Auf Instagram finden sich unter dem Stichwort #125JahreFCW schöne Fotos aus allen möglichen Blickwinkeln von heute Nacht.
DIE GESCHICHTE KANN UMGESCHRIEBEN WERDEN
Noch immer steht überall, der FCW sei am 10. Mai 1896 gegründet worden von 13 Technikum-Studenten. Heute wissen wir, dass dieses Datum falsch ist, dass es der 18. April 1896 war. Und auch die Zahl der Studenten ist falsch. Als erster Mensch, der die Möglichkeit hatte, alle Quellenschriften im Original einsehen und lesen zu können (ja, ich bin noch immer dran am Lesen, es sind der Texte zu viele, aber immerhin lese ich sie) habe ich mehr oder weniger rausfinden können, warum und wie der Fehler mit dem falschen Geburtsdatum entstanden ist.
In den Statuten vder "Vereinigten Fussballclubs Winterthur" vom 17. Juli 1931 steht beispielsweise: "Der FC Winterthur wurde im Jahre 1895 gegründet." An anderer Stelle erzählt Henry Müller, der langjährige 1.Captain des FCW, dreifacher Schweizer Meister mit dem FCW, Captain der Schweizer Nationalmannschaft und späterer Trainer der Schwiizer Nati (an der Mussolini-Heim-WM 1934 in Italien), dass man sich im Herbst 1895 beim Tschuuten auf der holprigen Schützenwiese entschlossen habe, den FCW zu gründen. Wieder an anderer Stelle wird im FCW-Cluborgan erzählt, dass der Klub 1895 auf der Schützi gegründet wurde. Der Eintrag "Herbst 1895" wurde auch ins FCW-Protokollbuch geschrieben, mit Bleistift, ganz am Anfang des Buches. Im Herbst 1895 hat man, das scheint relativ gesichert, als ersten Akt immerhin mal ein leeres liniertes Protokollbuch gekauft.
WOHER ALSO KOMMT DER 10. MAI?
"Am 18. April treffen sich 13 junge Männer zum Bier im Bierkeller Bavaria und beschliessen, den FCW zu gründen." Sie haben gerade erst das Bier bestellt, da kommen drei Nachzügler (das steht auf der zweiten Seite des Protokolls, umblättern hilft), und nun sieht die Geschichte schon wieder anders aus: "Am 18. April treffen sich 16 junge Männer zum Bier im Bierkeller Bavaria und beschliessen, den FCW zu gründen."
GESCHICHTSSCHREIBUNG IST ZUFALL
Weitere Fehlleistungen der Historiker, Hobby-Historiker*innen und Nichtleser: Henry Müller ist zwar Henri Müller aber nicht Heinrich Müller. Sprich: Im Klub gibt es kurz nach Gründung drei Heinrich Müller. Einer der Heinrichs wird FCW-Klubpräsident, also nicht der Rudolf Heinrichs, das war später, der war ja erster Captain dann, sondern der Heinrich Müller, also nicht der Henry Müller und auch nicht der dritte Heinrich und auch nicht der Heinrichs. Henry Müller hat also fast alles gemacht, hatte drei Hirne, drei Füsse und drei Hände, war sozusagen die heilige Dreifaltigkeit des FCW, aber er war nie Klubpräsident.
Auch im kolportierten Tableau der FCW-Präsidenten stimmt einiges nicht. Hat doch einer der Präsidenten nie ein Protokoll des Vorgängers unterzeichnet, und sein Nachfolger hat dann an seiner Statt alle Protokolle durch-unterzeichnet. Worauf in der Schnell-Lese kurzerhand alle unter den Protokollen stehenden Namen zusammengetragen wurden und zur Präsidententafel graviert in den Presseraum der Schützi montiert wurden.
CARL ODER KARL, HENRI ODER HENRY
Als es noch keine Beatmusik gab, mit der man die Eltern schockieren konnte, spielte man Fussball und nannte sich Carl statt Karl, wie's im Geburtsprotokoll stand. Oder Carlo. Aus Alfredo Spinzi wird Alfred Spinzio, oder umgekehrt. Und als die erste
Engländer-Nachahmungs-und-Bewu... vorbei ist, wird aus dem englischen Henry ein französischer Henri. Während dem dann andere zu Hitler Zeiten lieber wieder Heiri heissen wollen. Henri, Henry, Heiri, Heinrich, alles derselbe, ausser wenn er in der Mitgliederliste dreifach aufgeführt wird. Carl Arbenz und Karl Arbenz sehen auch aus wie eineiige Zwillinge. Und der Göpf heisst Gottfried. Wusstet Ihr, dass Bruno Brizzi "Nogo" geruffen wurde, weil er so klein war? Nogo wie "Nöggi", für ganz kleine Italiener. Der Sänger Nöggi ("I bin en Italiano") ist im gleichen Quartier aufgewachsen wie Bruno und Köbi Kuhn. Aber, ja, ich verliere mich mal wieder in der Geschichte, in Geschichten… Ich mäandriere durch die Welt der Protokollbücher. Ich schreibe mir schreibenderweise die Verabntwortung des Historikers vom Leib. Was da absurdum zu beweisen war. Sic!
ANDERE HOBBY-HISTORIKER KAMEN VOR MIR
Zum 30-Jahre-Jubiläum bekam Gustav Adolf Steiner, ehemaliger Spieler der ersten Mannschaft, der mit dem FCW Schweizer Meister wurde im 1. Weltkrieg, den ehrenvollen ehrenamtlichen Auftrag, die Klubgeschichte des FCW zu schreiben. Adolf Steiner war damals Redaktor bei der Langenthaler Zeitung. Er durfte alle Protokollbücher im Original einsehen und kürzte diese zu einer sehr gut geschriebenen Klubgeschichte zusammen. (Diese habe ich, mit den Anmerkungen von Hans Baer aus dem 50-Jahre-Jubiläumsbuch versehen und vollumfänglich korrigiert, im Volltext ins Buch gesetzt; die Fassung von 2021 ist also die neue gültige Fassung.) Nur hat Steiner, wie aus den Bleistiftanmerkungen am Rand ersichtlich ist, die zweite Seite des Protokollbuchs nie gelesen. Und er hatte, wie ich, mit einigen Aktuaren (Schriftführer der Protokolle) und ihren mehr oder weniger leserlichen Schriften mehr zu kämpfen als mit anderen (dabei ging es ihm gleich wie mir). Diese Protokolle und Zeilen und die damit verbundenen Zeiten werden in seine Geschichtsschreibung weniger stark einbezogen als die anderen, die Lesbaren. Adolf Steiner lagen aber auch Protokolle und Schriften vor, die so heute nicht mehr existieren, nämlich die gedruckten Jahresberichte der Jahre 1896 bis 1926 mit den kompletten Spielerlisten, Matchresultaten, Statistiken und bereinigten Mitgliederlisten. Davon existiert heute nur noch einer, in der Studienbibliothek Winterthur. Im FCW-Archiv ist kein einziger davon erhalten.
Adolf Steiner schreibt auch den 10. Mai als Datum ins Buch. Dieser wurde ihm offensichtlich so weitererzählt und er konnte in den Original-Protokollbüchern, die sich in Winterthur befanden, und die er bei seinem Besuch in der Schützenwiese einsehen konnte, keinen Gegencheck des Datums mehr machen vor der Publikation seiner epochemachenden Schrift. Also hat jemand, der Schrift nach zu beurteilen vermutlich Henri Müller, das Datum nachträglich mit Bleistift ins Protokoll geschrieben.
Dieser 10. Mai scheint als Datum daher zu kommen, dass das erste Geburtstagsfest des Klubs am 8. Mai 1897 gefeiert wurde. Das ist das erste Datum, das sich in Henri Müllers Hirn und in das seiner Kompatrioten eingegraben haben dürfte. Ein paar Jahre darauf, als dann beim ersten Schweizer Meister Titel zum Zehnjahresjubläum zum ersten Mal zurückgeblickt wurde, war dann keiner mehr da, der bei der Gründung dabeigewesen war.
Im Mai 1896 hat man sich aber immerhin darauf geeinigt, dass der Klub bei der Polizei und beim Technikum angemeldet werden solle, was dann im Oktober auch passierte. Im Oktober wurden die Statuten von der Pozilei, äh, Polizei freigegeben. Das wäre dann das ganz offizielle Datum. Da existiert aber kein Originalbeleg mehr davon, das schreibt Gustav Adolf Steiner in seiner Schrift.
Gustav Adolf Steiners Enkel übrigens lebt heute in Kanada, er ist Grafiker und hat mir die Postkarte des Meisterteams vom 1. Weltkrieg eingescannt. Weil sonst kein Originalbild mehr auffindbar war. Die letzte Fotografie hat der Landbote bei seinem Umzug vor einem Jahr ins neue Gebäude vermutlich weggeschmissen. Denn bei der Erstellung der Landbote-100-Jahre-Beilage wurde der Redaktion der Zeitung vom FCW das Original zugesteckt, es kam aber nie zurück. Auch das steht in einem der vielen Briefe und Texte, die mir vorliegen.
DATEN, STATISTIKEN, GESCHICHTEN
Kurzum: Es zeigt sich hier eine der Herausforderungen, mit denen ich im Verlaufe des Schreibens an diesem Klubbuch konfrontiert war und bin. Ich hatte, im Gegensatz zum Schreiber der 50-Jahre-Jubiläumsschrift, dem Journalisten und FCW-Mitglied Werner Brunner, dank meiner temporären Piraterie – ich entführte alle Akten und Fotografien (ausser die Kassabücher und vertrauliche Akten nach 1960 und die Pokale) zu mir nach Hause – als einer der ersten einen vollständigen Einblick in die Originalquellen des FCW und bin somit der einzige, der dieses fehlerhafte Datum berichtigen kann.
DER 10. MAI…
Am 10. Mai 1933 haben die Nazis unliebsame Bücher verbrannt, darunter auch die Bücher meines Lieblingsautoren Erich Kästner. Ein Querdenker und kritischer Freigeist, Philosoph, Humorist und einer der besten Schreiber, die es gibt. Jedes Wort sitzt, jeder Satz trifft, jeder Weissraum zwichen den Zeilen atmet tiefes Wisen um den Menschen, Güte, Menschenliebe. Ein Humanist wie er im Buche steht, ein Mensch mit Herz, ein Mensch, der Kinder liebte, der immer das Kind in sich selbst geliebt und gelebt hat, ein Aufklärer, der Jungs und Mädchen gelehrt hat, wie sie sich zu verhalten haben auf dieser Erde, dass sie zu ihrem Recht kommen und sich gegen die Erwachsenen mit ihren komischen Ideen von Macht und Geld durchsetzen können oder zumindest Gehör verschaffen. Eines seiner tollsten Jugendbücher heisst denn auch "Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee". Das Buch hat er 1931 geschrieben, zwei Jahre bevor es die Nazis verbrannt haben. Die Illustrationen von Walter Trier waren einer der Gründe, warum ich Illustrator werden wollte. Im Buch reist Konrad in die Südsee. Und das geht so: Er geht in den Estrich (Dachstock), findet einen alten Schrank, geht da rein und…
(Weitere tolle und schöne Jugendbücher findest Du hier:
illustration.world . Eine Auswahl meiner Lieblingskinderbücher. Nur Lesen oder die Bücher vorlesen musst du selbst. Philosophische und historische Werke findest du hier:
illustration.world )
Von Erich Kästner hab ich wohl schreiben gelernt, von Astrid Lindgren, aber auch von René Goscinny, Ludwig Thoma oder den Schweizer*innen Olga Meyer, Kurt Held, Heiner Gross, Friedrich Dürrenmatt. Alle hatten sie das Hirn am rechten Fleck, die Menschenliebe ins Hirn implantiert.
DAS FCW-BUCH WIRD IM MAI VERSCHICKT
Ich musste den Druck um einige Wochen verschieben, weil die Korrekturarbeiten immens sind. Weil ich immer wieder auf Dinge (Texte, Fotos, Zeitungsartikel) treffe, die ich zum ersten Mal sehe, und die mein Weltbild und das Buch von neuem auf den Kopf stellen oder zumindest in Frage stellen. Ich versuche, alle Daten und Behauptungen doppelt und dreifach zu checken, und wer schon einmal in Oral History beim Interview erlebt hat, wie ein grosser Fussballer in der Rückblende beim Erzählen aus seinen drei besten Matches der Karriere einen einzigen konstruiert, bei dem er auch noch einen lupenreinen Hattrick gechossen hat, der kann sich in etwa vorstellen, was das heisst, Fakten prüfen. Denn die korrigierten Artikel müssen dann ja wieder freigegeben werde von den Betroffenen, und die beanstanden dann die Fakten, dass sie Fake News seien. Was übrigens auch Journalisten machen, die meine Artikel nach Konsultation von Wikipedia umschreiben und dann in meinem Namen veröffentlichen. Was wiederum zu ziemlich zornigen Emails von mir an die Redaktion führt, die dann da keiner versteht, weil Wikipedia doch immer recht hat?
Dazu muss ich noch immer Urheberrechte und Copyrights klären, was an sich schon eine Vollzeitbeschäftigung für einen einzelnen wäre, usw. usf. Ich habe zehn Hände, zehn Hirne, zehn Schreibtische voller noch zu lesender und einzuarbeitender Texte, zehn Listen mit Clearing-To-Dos betreffend Copyrights.
Das Buch wird nun Ende April gedruckt und Mitte Mai versandt.
AHOI! HAPPY BIRTHDAY UND VIELEN DANK FÃœR DIE GEDULD!
Und eine Umarmung für DICH, einen verstohlenen Kuss für DICH, und einen lieben Gedanken für DICH! Einen Corona-freien Gedanken für Dich! Einen Klaps auf den Hintern, den Rücken, den Kopf, wo du es grad brauchst, um dich heute hier lebendig zu fühlen. Die Welt braucht Deine Liebe. Du brauchst die Liebe der Welt. Also geh spazieren, tauche ein ins Grün, lass dich von den Vögeln lebendigzwitschern und vom Bärlauch wachknoblauchen.
Herzliche Grüsse vom am Schreibtisch sitzenden Silberrücken, Gattung Flacharsch wegen zuviel Schreibens. Ach, dieser Genitiv, der macht doch so gescheit!
Kai Jerzö
Das Buch ist nahezu ausverkauft! Restexemplare kann man hier kaufen:
illustration.world
Die digitale Buchvernissage auf Zoom wird verschoben auf den 10. Mai 2021.
PS: Wenn ich die Schreibfehler in diesem Brief dereinst wiederlesen werde, werd ich mir wohl in die Nase beissen. Aber ich habe, entgegen meiner Art der Korinthenkackerei, der Erbsenzählerei und der Tüplfischiisserei für einmal darauf verzichtet, den Text ein drittes Mal durchzulesen. Ich muss stattdessen die Texte des Buches Korrektur lesen. Denn diese Fehler und falschen Daten im Buch, die bleiben für die Ewigkeit…