Bei Nacht und Nebel
Eiskalt abgeschoben
Projekt Ãœbersicht
Wir brauchen Euch! Eine Familie aus Afghanistan wird mitten in der Nacht ausgeschafft. Soll dies Praxis werden? Z.B. dass Patientinnen aus psychiatrischen Kliniken herausgerissen, zusammen mit der kranken Grossmutter und zwei kleinen Kindern in Europa herumgekarrt werden oder gibt es da Grenzen? Wenn ja, welche? Das wollen wir rechtlich grundsätzlich abklären und der betroffenen Familie dort helfen, wo sie schlussendlich Fuss fassen darf.
Funding goals
-
Etappe 1:
7'000 CHF
100% funded
Mit diesem Betrag können wir alle nach der Ausschaffung angefallenen Kosten (Kleider, Essen, erste Nothilfe-Medikamente, Kosten der Notfall-Zahnoperation, angelaufene Anwaltskosten) decken, die vom Verein Offenes Scherli zum Teil bereits vorfinanziert wurden.
Asylrechtlich arbeiten wir mit dem Verein Asylex zusammen. Er vertritt die Interessen der Familie. Asylex bietet Rechtsberatung an und ist auf angemessene Spenden angewiesen. -
Etappe 2:
12'000 CHF
100% funded
Der Fall besitzt Grundsatzcharakter. Wir wollen verhindern, dass Verfahren, wie sie in diesem Fall dokumentiert werden, Schule machen und zur üblichen Praxis werden. Bereits wissen wir von anderen ähnlichen Fällen welche seit dem Frühjahr 2013 passiert sind. Für ausserordentliche Rechtsprobleme muss deshalb auch mit externer Rechtsberatung gerechnet werden, die wir mit Etappe zwei (und allenfalls 3) abdecken möchten.
-
Zieletappe:
18'000 CHF
105% funded
Die von der Schweiz unmenschlich behandelte Familie möchten wir auch langfristig unterstützen, unabhängig davon, wo sie leben werden. Beim Start in der neuen Umgebung soll die Integration der zwei Frauen und insbesondere der Kinder erleichtert und unterstützt werden, Risiken können mit einem Zustupf gemildert werden, eine mögliche Reserve soll für die Ausbildung der Kinder verwendet werden. Unser Verein hat mit seinen (freiwilligen) Integrationsexperten langjährige Erfahrung für diese wichtige Arbeit.
Wir müssen wissen, was in der Nacht vom 20. auf den 21. März 2023 in der psychiatrischen Universitätsklinik Bern genau passierte! Wie das, was da passierte, vorbereitet, ausgeführt, administrativ und durch konkrete Handlungen umgesetzt wurde. Wurden in der Vorbereitung und der Ausführung Rechte verletzt? Besitzen besonders verletzliche Patientinnen und Patienten in stationärer Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik keinen Schutz? Gibt es keine Standesverordnung und keine Richtlinien der Ärzte, Psychiatrie und Kliniken, die Patientinnen schützen? Sind alle Regeln zur Abklärung der Transportfähigkeit von auszuschaffenden Menschen hier beachtet worden? Sind die Stellungnahmen und Berichte der behandelnden Ärzte berücksichtigt und aktualisiert worden und wie steht es um die Beachtung des Kindesrechts in diesem Fall? Welche Vorschriften wurden beachtet, welche übergangen? WER hat die Regeln allenfalls verletzt, wie funktionierte der Dienstweg und die Schnittstellen im Informationsnetzwerk und welche Folgen für die Betroffenen ergaben sich daraus? Sind Verstösse allenfalls strafrechtlich relevant? Unser erstes Ziel ist, hier Transparenz zu schaffen.
Unser zweites Ziel: Wir wollen der betroffenen Familie helfen. Der Familie soll Recht geschehen und sie soll auf ihrem weiteren Weg zu einer besseren Zukunft ein Stück begleitet und unterstützt werden. Wenn Flüchtlinge aus Kriegsgebieten nach fürchterlich traumatisierenden Erfahrungen in ihrem Heimatland, in Europa - wo sie Schutz suchen - behandelt werden wie Tomaten, welche vom Produktionsland zum Waschen in eine zweites Land und zum Abpacken in Büchsen in ein drittes Land gekarrt werden, dann wollen wir diese Menschen - nach ihrer Ausschaffung aus unserem Land - nicht einfach vergessen! Wir wollen sie trotz der Ausschaffung unterstützen und begleiten. Sie brauchen uns und Europa braucht diese Menschen: sie gehören zu uns!
Unser drittes Ziel: Wir wollen verhindern, dass sich eine neue, unmenschliche Praxis etabliert. Solches Handeln durch Behörden darf nicht zukünftig Regel werden! Leider gibt es weitere uns bekannte, sehr aktuelle Fälle: In einem Fall kam es tragischerweise sogar zum Suizid in der Klinik*. Die Ausschaffungen aus Kliniken müssen gestoppt werden!
* vergl. Hinweis „Medienberichte zum Thema“ und den persönlichen "Bericht von Mursal".
* Aus Schutzgründen mussten wir die Familien- und Vornamen der Familie durch Pseudonyme ersetzen. Die Geschichte stimmt in allen Details und kann dokumentiert werden.
Bereits in derselben Nacht um 02.00 drangen nämlich weitere Beamte in das "Zimmer" der Familie in der Kollektivunterkunft in Langnau i.E. ein. Sie weckten die verängstigte Familie, drängten die Kinder und Grossmutter zum Packen der wichtigsten Gegenstände und fuhren - mit den Kindern in ihren Pyjama's - zum Flughafen. In demselben Nachtkostüm wurden die Kleinen (zusammen mit der unterdessen antransportierten Mutter) ins Flugzeug gebracht und nach Madrid überführt. Erst nach Ankunft in der Unterkunft, konnte die Mutter die Kinder duschen und anziehen. 90% der ärmlichen Besitztümer der Familie, darunter die Spielzeuge und Kleider der Kinder verblieben in der Unterkunft in Langnau i.E.. Diese Gegenstände befinden sich nach wie vor in der Schweiz: Eigentum hat offenbar keinen Wert, wenn es Eigentum von Geflüchteten ist.
(…) Ende Mai hat sich in einer anderen psychiatrischen Klinik im Kanton Bern eine Tragödie ereignet:
Ein afghanischer Asylsuchender erhielt die Ankündigung, dass er demnächst von der Polizei abgeholt werde, um zwangsweise nach Griechenland zurückgebracht zu werden. Er nahm sich das Leben.
Dass der Mann psychisch stark belastet war, darüber waren die Behörden informiert. Doch das Berner Migrationsamt stellt sich in einer Stellungnahme an seine Anwältin auf den Standpunkt, dass weder
die psychiatrische Diagnose noch Suizidabsichten einen Hinderungsgrund für eine Ausschaffung darstellen würden, solange der Vollzug ärztlich begleitet werde.
Auf Nachfrage der NZZ schreibt das Amt, dass es sich bei Ausschaffungen aus Psychiatrien um Einzelfälle handle, zu denen man sich aus «personen- und datenschutzrechtlichen Gründen» nicht
weiter äussern könne. In der Regel gelte aber: «Psychische Krankheiten stehen einer Rückführung nicht entgegen.» Lägen bei einer Person indes gesundheitliche Einschränkungen vor, werde eine
ärztliche Begleitung angeordnet.» (…)
Leserbrief zu: NZZ-Artikel vom 5. Juli 2023: «Von der Psychiatrie direkt ins Flugzeug: Die Schweiz schafft
regelmässig traumatisierte Asylsuchende aus»
Den afghanischen Asylsuchenden, der sich in einer Berner Klinik das Leben nahm, habe ich gekannt. Ich lernte ihn am Ökumenischen Mittagstisch für von der Nothilfe lebenden Personen kennen und schätzte ihn als überlegten Gesprächspartner.
Innerhalb weniger Monate musste ich miterleben, wie es ihm gesundheitlich immer schlechter ging. Es ist für mich unbegreiflich, dass jemandem nach mehrfach geäusserten Suizidabsichten, sich selbst zugefügten Verletzungen und insbesondere nach einem Suizidversuch vom Migrationsamt das Ausreiseverfahren nach Griechenland
«erklärt» wird. Dieses Gespräch fand in der Kriseninterventionsabteilung eines Regionalspitals statt, wo der Asylsuchende hospitalisiert war und unter medikamentöser Behandlung stand. «Griechenland war schlimmer als Afghanistan», sagte er einmal zu mir. Er musste dann in eine psychiatrische Klinik verlegt werden, wo der 28-Jährige, wie es in der NZZ vom 5. Juli 2023 zu lesen war, seinem Lebenein Ende setzte.
Angesichts der prekären Verhältnisse in Griechenland müsste es doch möglich sein, auf aufwändige Rückführungen von besonders verletzlichen Personen in dieses Land zu verzichten und ihnen die Chance auf ein Leben in der Schweiz zu geben.
Peter Gerber, Fachstelle Migration der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, Altenbergstrasse 66, 3000 Bern 22
Ellen Matthys, Film
Gabriele Gattiker, freiwillige Begleiterin der Betroffenen
Jürg Schneider, Projektleiter
Reto Kaeser, Koordinator
Smilla Wittwer, Grafik
Wir sind eine Freiwilligenorganisation aus Niederscherli (Gemeinde Köniz), die sich neben der Begegnung mit Asylsuchenden und Flüchtlingen um deren Integration aber auch um rechtliche Unterstützung bemüht, wenn etwas mit dem Asylverfahren schief läuft. Unterdessen sind wir für unsere Arbeit im Kanton Bern und darüber hinaus bekannt. Wir begleiten asylsuchende Menschen im Netzwerk mit anderen Organisationen (ag-nothilfe, solinetze) und mit spezialisierten Anwälten in ihren Verfahren.
Ursprünglich wollte ich nur zusammen mit meiner Frau den Flüchtlingen in unserem Dorf Deutschstunden geben. Mit der Zeit merkten wir, dass Vieles im Asylwesen falsch läuft. Deshalb wurden aus den Deutschstunden ein Vollzeitjob als Freiwilliger und Aktivist. Zum Beispiel:
A) Ich will nicht begreifen, dass Behörden in der Schweiz, einem Land, dass sich gerne rühmt, "die Menschenrechte erfunden zu haben", achtlos und ohne Berücksichtigung der individuellen Situation mit besonders verletzlichen Personen wie Kindern und Frauen aus Afghanistan (oder anderen Ländern mit schlimmer Menschenrechtslage) umgehen. Missstände in den Asylverfahren sind viel zu wenig bekannt, das Asyl- und Ausländerrecht ist oft auch rechtlich problematisch. Dies gilt z.B. für Menschen, die jahrelang in der sog. "Nothilfe" leben müssen, die keine Nothilfe ist, sondern v.a. der Vergrämung der betroffenen Menschen dient. Auch im sog. "Dublinverfahren", wo Kinder und Familien quer durch Europa verfrachtet werden, als wären es Tomaten oder Vieh, geschieht viel Unmenschliches. Vieles ist schwer zu verhindern, die Rechtsstaatlichkeit und die Einhaltung der Menschenrechte in den Verfahren müssen aber immer wieder eindringlich eingefordert werden.
Unser Projekt ist deshalb exemplarisch: Es soll erstens verhindert werden, dass Vorgehensweisen der Behörden - wie das im Projekt beschriebene - Schule machen und zur festen Praxis werden. Und zweitens ist es wichtig, dass die betroffene Familie, welche im Heimatland, auf der Flucht und bei uns Schreckliches erlebt hat, bei ihrer Integration - wo sie schlussendlich auch stattfinden mag - Unterstützung und Hilfe zukommt. Ein finanzieller Zustupf kann - neben persönlicher Zuwendung - oft matchentscheidend sein, Zuwendung über lange Frist ist essentiell um wieder Vertrauen zu fassen wenn Vertrauen so grundsätzlich und wiederholt gebrochen und missbraucht wurde.
Vor sieben Jahren sah ich die Tragik der Migranten in Form von Bildern und Berichten am Fernsehen. Nur schon das Zuschauen fand ich unerträglich, ich fühlte eine grosse Hilflosigkeit, da ich keine Idee hatte, wie ich diesen Menschen helfen könnte. Im Jahr 2021 wurde ich von einer Kollegin der Meditations-Gruppe, Reformierte Kirche Langnau, angesprochen und gefragt, ob ich beim Projekt 'zusammen hier' in Langnau mitarbeiten möchte. Ich sagte ohne Zögern zu. Seither dehnt sich mein Radius in dieser Richtung Schritt um Schritt aus; ich sehe die ganze Komplexität und Dramatik zunehmend auf politischer Ebene und den grossen, individuell zu gestaltenden Bedarf an Begleitung und Unterstützung, sowohl von Einzelpersonen als auch von Familien. Ich bin enorm gefordert durch das sich mir präsentierende Geschehen und benötige meine ganze jahrzehntelange Berufs- und Lebenserfahrung, um mich in diesem Feld so souverän und kompetent wie möglich bewegen bzw. bestehen zu können.
Gabriele Gattìker, Dipl. Heilpädagogin
Tanz- und Bewegungs-Therapeutin
Low Vision-Trainerin
freiwillige Tätigkeiten: 'zusammen hier', Ref. Kirche Langnau, Verein interkulturell, Langnau, Zusammenarbeit im Projekt